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Belohnungen: Wann sie gefährlich werden

Lehrer verteilen Fleißpunkte, Eltern koppeln die Leistungen ihrer Kinder an Belohnungen und Firmen belohnen unsere Treue mit einlösbaren Punkten. All diesen Beispielen liegt die gleiche Annahme zugrunde: Erwünschtes Verhalten kann durch Belohnung gesteuert werden. Doch Vorsicht ist geboten: Belohnung können auch unerwünschte Nebenwirkungen haben.

Der kleine Hans ist ein Chaot, dessen Kinderzimmer oftmals so aussieht, als habe eine Bombe eingeschlagen. Die Eltern reden Hans gut zu und bitten ihn ein ums andere Mal sein Zimmer aufzuräumen, sobald er mit dem Spielen fertig ist. Leider ohne Erfolg. Die Eltern versuchen es mit Strafen. Zwar kehrt durch die Strafen mehr Ordnung ein, doch die Stimmung ist vergiftet. Als letzte Option greifen die Eltern zu einem ausgeklügelten Belohnungssystem: Jedes Mal, wenn Hans sein Zimmer aufräumt, bekommt er einen Sticker. Sobald er 10 Sticker gesammelt hat, darf sich Hans im Spielwarenladen ein Spielzeug aussuchen. Diese Maßnahme ist nun endlich von Erfolg gekrönt: Ohne Aufforderung macht sich Hans daran, sein Zimmer aufzuräumen, um einen Sticker zu erhalten. Der Erfolg ist so groß, dass die verzückten Eltern das Belohnungssystem auf schulische Leistungen ausweiten; fortan gibt es für gute Schulleistungen ebenfalls Sticker.

Zu schön, um wahr zu sein

Hans‘ Beispiel verdeutlicht die verschiedenen Methoden, Verhalten zu beeinflussen:
Appell ans Gewissen: Dem liegt die Annahme zugrunde, dass idealerweise ein erwünschtes Verhalten aus innerer Überzeugung geschehen sollte. Auf Hans‘ Beispiel bezogen hieße das, dass Hans den Wert eines aufgeräumten Zimmers verinnerlicht und daher aus freien Stücken um die Ordnung seines Zimmers bemüht ist.

Zuckerbrot und Peitsche: Da Menschen lernende Wesen sind, liegt diesem Ansatz die Annahme zugrunde, dass es am effektivsten ist, Menschen für erwünschtes Verhalten zu belohnen und für unerwünschtes Verhalten zu bestrafen.

Was motiviert Menschen?

Welche Methode ist die bessere? Um die Frage zu beantworten, ist ein kleiner Exkurs in die Grundlage menschlicher Motivation erforderlich. Grundsätzlich gibt es zwei unterschiedliche Arten der Motivation:

Intrinsische Motivation: Diese Art der Motivation entspringt dem inneren Interesse eines Menschen. Ein intrinsisch motiviertes Verhalten ist an sich motivierend, das heißt, dass ein Verhalten einen Selbstzweck darstellt und nicht bloßes Mittel zum Zweck ist.

Extrinsische Motivation: Das Gegenteil trifft auf die extrinsische Motivation zu. Ein Verhalten wird nur deswegen an den Tag gelegt, da sich eine Person von diesem Verhalten verspricht, entweder eine Belohnung zu erhalten oder einer Bestrafung zu entgehen.
Wichtig zu verstehen ist jedoch, dass diese beiden Motivationssysteme nicht unabhängig voneinander existieren, sondern sich gegenseitig beeinflussen. Ein Beispiel, das der Psychologe Dan Ariely in seinem Buch Predictably Irrational anführt [1], verdeutlicht die Wechselwirkung: Die Erzieherinnen eines Kindergartens in Israel hatten damit zu kämpfen, dass Eltern oftmals ihre Kinder zu spät abholten und sie dadurch Überstunden leisten mussten. Sie überlegten sich daher, dass Eltern jedes Mal eine Strafe bezahlen müssen, wenn sie ihre Kinder zu spät abholen. Zu ihrer Verblüffung stellten die Erzieherinnen fest, dass Eltern seit Beginn der Maßnahme Eltern ihre Kinder nicht seltener, sondern häufiger zu spät abholten. Was war passiert? Wohingegen in der Vergangenheit Eltern wussten, dass es nicht gut ist, die Erzieherinnen warten zu lassen und sie ein schlechtes Gewissen bei Verspätungen hatten (intrinsische Motivation), wurde durch das neue System das schlechte Gewissen durch die Bezahlung einer Strafe ersetzt (extrinsische Motivation).

Motivation von Kindern

Eine Meta-Analyse untersuchte, wie sich Belohnungssysteme auf die Leistungen von Kindern auswirken [2]. Über viele Studien hinweg zeigte sich, dass das systematische Belohnen von Schulleistungen dazu führt, dass die intrinsische Motivation sich mit Lernstoff auseinanderzusetzen, abnimmt. Zwar legten die Leistungen zu, der Spaß an der Schule nahm jedoch ab. Doch ist Belohnung nicht gleich Belohnung. Es zeigte sich, dass sich Lob (d.h. keine materielle Belohnung) nicht negativ auf die intrinsische Motivation auswirkt.

Fazit: Belohnung wirken oft wie ein Bumerang

Zwar ist das Zuckerbrot-und-Peitsch-Prinzip kurzfristig überaus erfolgreich darin, Verhalten in eine gewünschte Richtung zu bewegen, doch sollten stets die langfristigen möglicherweise negativen Folgen mitbedacht werden. Insbesondere besteht bei extrinsischer Motivation die Gefahr, dass ein erwünschtes Verhalten in dem Moment ausbleibt, wenn die Belohnung wegfällt. Wenn möglich, ist es somit vielversprechender, durch Lob und die Vermittlung des Verständnisses der Notwendigkeit bestimmter Verhaltensweisen, die intrinsische Motivation zu stärken.

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Quellen:

1: Predictably Irrational. The Hidden Forces That Shape Our Decisions (2008); deutsch: Denken hilft zwar, nützt aber nichts. Warum wir immer wieder unvernünftige Entscheidungen treffen. Übersetzt von Maria Zybak und Gabriele Gockel. Knaur, München 2008, ISBN 978-3-426-78035-0.

2: Deci, E. L., Koestner, R., & Ryan, R. M. (1999). A Meta-Analytic Review of Experiments Examining the Effect of Extrinsic Rewards on Intrinsic Motivation. Psychological Bulletin, 125(6), 627-668.

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