NeuroNation \ Intelligenz und IQ

Ein Kind, das liest, wird ein Erwachsener, der denkt

Frühkindliche Förderung ist in aller Munde. Nicht wenige Kinder erhalten schon im Vorschulalter Fremdsprachenunterricht oder erlernen ein Instrument in der Hoffnung ihrer Eltern, sie würden eines Tages von dieser Förderung profitieren. Eine neue Studie zeigt, dass es die Lesefähigkeit in der Kindheit ist, die über Intelligenz im späteren Leben entscheidet.

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr! So oder so ähnlich ist die Vorstellung, die viele Eltern veranlasst, massiv in die Bildung ihrer Kinder zu investieren. So löblich diese Einstellung auch sein mag, stellt sich jedoch die Frage, ob Chinesischunterricht mit 6 Jahren oder Geigenunterricht im Alter von 7 Jahren die ideale Freizeitbeschäftigung darstellen. Kindlicher Bildung liegt oftmals die Annahme zugrunde, dass der in früher Kindheit erworbene Wissensvorsprung Kinder ein Leben lang auf einer Welle des Erfolgs reiten lässt. Doch welches frühkindliche Verhalten ist tatsächlich bedeutsam hinsichtlich der Intelligenzentwicklung im späteren Leben?

Studie untersucht Einfluss von Leseverhalten auf Intelligenzentwicklung

Die Wissenschaftler Stuart Ritchie, Timothy Bates (Edinburgh Universität) und Robert Plomin (Kings College London) sind in einer aufwändigen Studie der Frage nachgegangen, welchen Einfluss Lesefähigkeit in der Kindheit auf die Intelligenz von Teenagern ausübt.

Zuerst haben sich die Wissenschaftler jedoch mit der Frage beschäftigt, welche Faktoren für die Lesefähigkeit eine Rolle spielen. Wenig überraschend sind sie dabei zum Schluss gekommen, dass sowohl die Gene als auch die Umwelt eine wichtige Rolle spielen. Um den Einfluss der Umwelt sowie der Gene konstant zu halten, bedienten sie sich einer cleveren Lösung: In ihrer Untersuchung wurden eineiige Zwillinge untersucht, die zudem zusammen aufwuchsen. Somit konnte sichergestellt werden, dass die Gene identisch sind und die Umwelt zumindest sehr ähnlich. Insgesamt wurden 1890 Zwillingspaare rekrutiert, die an der Studie teilnahmen.

Tests mit 7, 9, 10, 12 und 16 Jahren

Zunächst wurde das Leseverhalten der Zwillinge getestet, als sie 7 Jahre alt waren. Dabei wurde zum einen erhoben, wie vertraut die Zwillinge mit Büchern sind. Dies wurde über einen Test erfasst, in dem den Kindern Namen präsentiert wurden. Bei jedem Namen sollte das Kind entscheiden, ob es sich um einen Autor handelt. Zudem wurde die Lesefähigkeit erfasst, dabei kam der sogenannten Word Reading Efficiency Test (TOWRE; Torgesen, Wagner, & Rashotte, 1999) zum Einsatz.
Als die Kinder 9, 10, 12 und 16 Jahre alt waren, wurden Sie erneut getestet. Bei diesen Tests stand jedoch die Frage nach der Intelligenz im Vordergrund.

Zum Einsatz kamen dabei Tests, die sowohl die verbale Intelligenz (Mill Hill Vocabulary Scale; Raven et al, 1996) als auch die nonverbale Intelligenz erfassen (WISC; Wechlser, 1992).
Die Auswertung der Tests ergab, dass die Lesefähigkeit mit 7 Jahren die Intelligenz mit 16 Jahren bestimmt. Dabei zeigte sich, nicht nur die verbale Intelligenz wird durch die Lesefähigkeit bestimmt, sondern auch die nonverbale.

Lesen erweckt Schrift zu Leben

Die Erklärung für diesen deutlichen Befund ist dabei weniger klar. Eine Erklärung ist, dass Lesen die Fähigkeit stärkt, abstrakt zu denken. Während ein Kind liest, konstruiert es sich die Realität in seinem Kopf, was bedeutet, dass verschiedene Informationen verarbeitet und miteinander verbunden werden müssen. Dieses mentale Jonglieren  mit vielen Informationen könne, so die Annahme, auch die Verarbeitung anderweitiger Informationen erleichtern und sich somit positiv auf die Intelligenzentwicklung auswirken.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass Lesen die Fähigkeit schult, sich über einen längeren Zeitraum mit einer Materie zu befassen und sich in einen Sachverhalt zu vertiefen, was ebenfalls der Intelligenzentwicklung zuträglich sein könnte. Anstelle teuren Chinesischunterricht zu bezahlen, kann es also vernünftiger sein, einen Ausweis für die örtliche Bibliothek zu beantragen.

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Quellen:

Richtie, S. J., Bates, T. C., & Plomin, R. (2014). Does Learning to Read Improve Intelligence? A Longitudinal Multivariate Analysis in Identical Twins From Age 7 to 16. Child Development. Doi: 10.1111/cdev.12272

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