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Exklusive Einblicke in die Welt des Gehirntrainings: Interview mit Dr. Susanne Jaeggi

Als offizieller Partner der jährlich stattfindenden Brain Awareness Week wollen wir zu der Aufklärungsarbeit dieser weltweiten Kampagne das ganze Jahr über so viel wie möglich beitragen. Heute präsentieren wir Ihnen ein spannendes Interview mit der wohl berühmtesten Forscherin auf dem Gebiet des wissenschaftlichen Gehirntrainings Dr. Susanne Jaeggi (University of California, Irvine).

 

NeuroNation: Dr. Jaeggi, bitte erzählen Sie uns mehr über Ihre aktuelle Forschungsarbeit.

Dr. Jaeggi: Im Großen und Ganzen konzentriert sich meine Arbeit auf die Frage, wie Menschen lernen. Warum fällt dieser Prozess manchen schwerer, als anderen, und was wir tun können, um das Lernen zu erleichtern. Um unsere Forschungsfragen zu beantworten, haben mein Team und ich spielerische Übungseinheiten entwickelt, die gezielt das sogenannte Arbeitsgedächtnis stimulieren sollen.

Wir wissen, dass Arbeitsgedächtnis und Konzentration elementare und essentielle kognitive Fähigkeiten sind, die an einer Vielzahl von höheren kognitiven Prozessen, wie Lesen, Rechnen, Probleme lösen und Lernen beteiligt sind. Wir sind davon überzeugt: Wenn wir solche grundlegenden Eigenschaften wie die Arbeitsgedächtniskapazität und die Aufmerksamkeitsspanne verbessern können, können diese Veränderungen auch auf einer höheren Ebene erreicht werden. Tatsächlich konnten viele Studien mit unterschiedlichen Zielgruppen (Kinder mit Normalentwicklung, Kinder mit ADHS, junge Erwachsene, ältere Erwachsene etc.) feststellen, dass Studienteilnehmer nicht nur in den Übungen besser wurden, die sie trainierten, sondern auch zahlreiche Transfereffekte in andere Aufgabenbereiche zeigten. Das ist äußerst faszinierend.

NeuroNation: Was hat ursprünglich Ihr Interesse an Gehirntraining geweckt?

Dr. Jaeggi: Mich hat es schon immer interessiert, wie sich Menschen in verschiedensten Dingen verbessern können, beispielsweise, wie sie besser und effektiver lernen können. Natürlich gibt es viele Wege, solche Fragen zu erforschen. Als Doktoranden haben Martin Buschkuehl, mein Mann und Forschungspartner, und ich angefangen, mit grundlegenden Arbeitsgedächtnis- und Konzentrationsaufgaben zu “spielen” und diese zu verändern, um sie in immer schwerer werdenden Übungseinheiten einzusetzen. Ursprünglich wollten wir vor allem herausfinden, was im Gehirn und auf der Verhaltensebene passiert, wenn Menschen an ihre Grenze gehen oder diese gar überschreiten. Dann wurden wir jedoch damit überrascht, wie schnell sich unsere Experimentteilnehmer verbesserten.

Noch faszinierender war aber die Tatsache, dass sie nicht nur in trainierten Aufgaben besser wurden, sondern auch in anderen Bereichen, die nichts mit ihrem Training zu tun hatten. Mit der Zeit rückte unser Forschungsfokus immer mehr auf die Optimierung unserer Übungen, um sie interessanter und/oder effektiver zu machen, und zu verstehen, warum manche Menschen mehr vom Training profitieren als andere.

NeuroNation: Sie sind wahrscheinlich die berühmteste Forscherin auf dem Gebiet des Gehirntrainings. Was würden Sie sagen, ist es möglich, durch Gehirntraining intelligenter zu werden? Und was bedeutet das überhaupt, wenn man sagt, dass jemand „intelligenter“ ist, als andere?

Dr. Jaeggi: Naja, es gibt genügend Diskussionen zu diesem Thema und es hängt immer davon ab, was man unter „Intelligenz“ und Trainings(transfer)effekten versteht. Grundsätzlich würde ich sagen, dass wir ausreichend Daten besitzen, um zu behaupten, dass durch gezieltes Arbeitsgedächtnistraining die Lernfähigkeit, der Ablenkwiderstand, das logische Denken sowie die Problemlösungsfähigkeit verbessert werden. Dies sind alles Fähigkeiten, die oft mit „Intelligenz“ in Verbindung gebracht werden.

Jedoch dürfen wir nicht vergessen, dass es viele Wege gibt, „schlauer“ zu werden. Schule und Bildung sind die grundlegenden Pfeiler für die Entwicklung der Intelligenz. Gezieltes Training kann als eine der Methoden angesehen werden, die Lernfähigkeit zu verbessern, aber ich würde auf keinen Fall behaupten, dass Gehirntraining Bildung ersetzen könnte. Der „einfachste“ und effektivste Weg, besser in Mathe zu werden, ist nach wie vor sich hinzusetzen und Mathe zu üben. Jedoch könnte Arbeitsgedächtnistraining helfen, diesen Lernprozess einfacher und effektiver zu machen, insbesondere für diejenigen, die mit ihrem Arbeitsgedächtnis und ihrer Konzentration zu kämpfen haben.

NeuroNation: Was sind die Vorteile von Gehirntraining für ein Individuum? Und was sind die Vorteile für die gesamte Gesellschaft?

Dr. Jaeggi: Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine erwiesenen Methoden, die uns von Anfang an eindeutig sagen können, wie stark ein konkreter Mensch vom Gehirntraining profitieren wird. Die individuellen Unterschiede in der Entwicklung geistiger Fähigkeiten können gewaltig sein und hängen von vielen Variablen ab, sei es die Motivation oder die ursprünglichen kognitiven Fähigkeiten. Obwohl wir wissen, dass Menschen besser in trainierten Aufgaben werden, ist es nicht immer klar, wie viel besser sie dadurch in Aufgaben und Bereichen werden, die sich vom Training unterscheiden.

Es gibt immer noch viele Dinge, die wir über das Gehirntraining nicht wissen, – beispielsweise muss noch untersucht werden, welche Aufgaben zu welchen Transfereffekten führen, wie die ideale Trainingsdauer ist und wie genau die Transfereffekte im realen Leben gemessen werden können. Obwohl immer mehr Studien vielversprechende Ergebnisse liefern, gibt es auch Fälle, die weniger erfolgreich sind. Aus diesem Grund ist es noch schwierig zu sagen, wie die Gesellschaft im Allgemeinen vom Gehirntraining profitieren kann.

NeuroNation: Ausgehend von dem heutigen Forschungsstand: Welche Empfehlung gibt es, wie macht man das Training maximal effektiv?

Dr. Jaeggi: Ein großer Teil meiner aktuellen Forschungsarbeit fokussiert sich auf die individuellen Unterschiede im Lernen und in der Entwicklung dieser Fähigkeit. Ähnlich, wie in vielen anderen Bereichen (physische Aktivität, Psychotherapie, Arzneimitteltherapie usw.), gibt es auch für Gehirntraining keine allgemeingültige Universallösung. Wir müssen definitiv nach weiteren Personalisierungsansätzen suchen, um das Training für alle effektiv zu gestalten. Wir wissen, dass manche Eigenschaften, wie das Alter, die ursprünglichen kognitiven Fähigkeiten und die individuelle Arbeitsbereitschaft, viel Einfluss auf das Resultat des Trainings ausüben. Außerdem ist bekannt, dass es bestimmte Übungen gibt, die sich nur auf bestimmte Fähigkeiten auswirken, und umgekehrt… Wie gesagt, wir haben noch viel Arbeit vor uns. Jetzt lässt sich generell festhalten, dass Menschen, die kognitiv anspruchsvollere Aufgaben trainieren, am meisten davon profitieren.

NeuroNation: Dieses Interview führen wir im Rahmen der Brain Awareness Week 2017 durch. Denken Sie, es ist wichtig, die trainingsbezogenen Veränderungen im Gehirn sowohl auf struktureller, als auch auf funktionaler Ebene zu erforschen? Und, falls ja, wie verbessert diese Forschung unser Verständnis der Vorteile von Gehirntraining?

Dr. Jaeggi: Auf verhaltensbezogener Ebene müssen die Auswirkungen des Gehirntrainings noch in vielerlei Hinsicht untersucht werden. Natürlich entsteht durch die Untersuchung struktureller Veränderungen im trainierten Gehirn eine weitere spannende Variable, aber das macht die Forschung umso komplizierter und erfordert größere Anzahl von Studienteilnehmern, damit informative Ergebnisse erzielt werden können. Trotzdem bietet eine neurowissenschaftliche Untersuchung der Effekte von Gehirntraining viele Vorteile.

NeuroNation: Wie sehen Sie die Zukunft von Gehirntraining?

Dr. Jaeggi: Hoffentlich interessieren sich immer mehr Wissenschaftler für die grundlegenden Mechanismen und die individuellen Unterschiede, um zu verstehen, welches Training für wen am effektivsten ist, und welche Gründe es hierfür gibt. Im Großen und Ganzen sehe ich Gehirntraining als eine Möglichkeit, die Plastizität unseres Gehirns zu erforschen und den Einfluss, den wir darauf haben, auszubauen und zu vertiefen.

NeuroNation: Herzlichen Dank für das Interview, Frau Dr. Jaeggi.

Wir hoffen, Sie haben sich von dieser Lektüre inspirieren lassen und sind bereit für Ihre nächste Trainingseinheit. Wir freuen uns, Sie auf dem Weg zur geistigen Fitness begleiten zu dürfen. Starten Sie hier Ihr Training – Ihr Kopf wird es Ihnen danken!

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