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Geduld: Der Schlüssel zum Erfolg?

Stellen Sie sich vor, Sie schreiben eine Statistik-Prüfung an der Uni. Wovon wird Ihre Note abhängen? Klar, ein sicherer Umgang mit Zahlen ist hilfreich. Ein hohes Maß an Intelligenz schadet auch nicht. Doch eine oft unterschätze Eigenschaft ist Sitzfleisch.

Man könnte auch von Geduld, Selbstbeherrschung, Disziplin oder Selbstkontrolle reden. All diese Begriffen zielen letztlich auf die gleiche Fähigkeit ab: Eine spätere Belohnung einer sofortigen Belohnung vorzuziehen. Natürlich ist es, um beim obrigen Beispiel zu bleiben, hilfreich, intelligent zu sein und statistische Formeln schnell zu verstehen und lernen zu können. Doch viel wichtiger ist es, sich dafür zu entscheiden, sich mit dem langweiligen Lernstoff auseinanderzusetzen, anstelle auf eine Party zu gehen oder sich vor den Fernseher zu fläzen.
Eine umfassende Analyse zur Bedeutung von Selbstbeherrschung führte der Innsbrucker Professor für Experimentelle Wirtschaftsforschung Matthias Sutter in seinem Werk „Die Entdeckung der Geduld – Ausdauer schlägt Talent“ durch. Darin kam er zu dem verblüffenden Ergebnis, dass tatsächlich Selbstbeherrschung für den persönlichen Erfolg viel wichtiger ist als Intelligenz und Talent.

Das Marshmallow-Experiment

Ausgangspunkt dieser Forschung war eine unter dem Namen Marshmallow-Experiment bekanntgewordene Versuchsreihe in den 60er Jahren. Darin wurde Kindern ein Marshmallow gegeben. Der Versuchsleiter teilte den Kindern sodann mit, dass sie den Marshmallow sofort essen können, wenn sie wollen. Wenn sie aber mit dem Verzehr bis zur Rückkehr des Versuchsleiters warten würden, erhielten sie später einen zweiten Marshmallow. Das klassische Dilemma also: Eine kleine sofortige gegenüber einer späteren, dafür jedoch größeren Belohnung. Wie Sie sich vorstellen können, fiel es den meisten Kindern äußerst schwer, der Versuchung zu widerstehen. Dennoch schafften es viele Kinder, gegenüber dem leckeren Marshmallow standhaft zu bleiben und einen zweiten zu erhalten. In den folgenden Jahren wurde die Entwicklung der 562 Jungen und Mädchen weiter verfolgt. Nach 20 Jahren zeigten sich die Unterschiede deutlich: Jene Kinder, die es schafften der Versuchung zu widerstehen, hatten im Durchschnitt bessere Schulnoten, waren schlanker, nahmen seltener Drogen und hatten häufiger einen Uni-Abschluss. In einer ähnlichen Studie aus Neuseeland zeigte sich zudem: Menschen mit einer hohen Selbstbeherrschung sparen mehr Geld, brechen seltener die Schule ab und verfallen seltener der Spielsucht.
Es ist paradox! In einer Zeit, in der alles immer schnelllebiger wird, in der nur ein paar Mausklicks zum Kauf eines neuen Paars Schuhe nötig sind, in der wir mit unseren Smartphones jede Information sofort abrufen können, entscheidet eine alte Tugend über Erfolg und Misserfolg: Die Geduld.

Der Odysseus in uns

Ob wir uns selbst beherrschen können oder nicht, hängt sehr stark von den Techniken ab, derer wir uns in solchen Situationen bedienen können. Im Marshmallow-Experiment beispielsweise wenden sich manche Kinder bewusst dem verführerischen Marshmallow ab, wissend, dass der Anblick des Marshmallows Begehrlichkeiten schafft, und schauen die Wand an. Auch Odysseus wusste das bereits. Als er sich auf seiner Reise den Sirenen näherte, wusste er, deren wundervoller Gesang würde ihn magisch anziehen und sein Schiff auf die Felsen zusteuernd so zum Kentern bringen. Die Göttin Kirke gab ihm der Legende nach einen Tipp, wie er in den Genuss des Gesangs kommen konnte, ohne dabei dem Untergang geweiht zu sein. Er solle sich von seinen Gefährten an den Mast binden lassen und die Mannschaft sich die Ohren mit Wachs versiegeln. Auf diese Weise könne er dem Gesang lauschen, ohne sich und seine Crew dabei ins Verderben zu stürzen. Sie sehen, die Menschen der Antike standen vor den gleichen Herausforderungen wie wir.

Die Selbstbeherrschung trainieren

Natürlich begnügt sich die Forschung nicht nur damit, den Ist-Zustand zu beleuchten, sondern erforscht, wie wir unsere Selbstbeherrschung ausbauen können.
Ein Forscherteam um den Psychologen Roy Baumeister untersuchte den Effekt von Selbstbeherrschungstraining auf die Fähigkeit, Versuchungen zu widerstehen. Die Wissenschaftler teilten Studienteilnehmer dabei in zwei Gruppen ein. Während die eine Gruppe ein zweiwöchiges Selbstbeherrschungstraining erhielt, dienten die übrigen Studienteilnehmer als Kontrollgruppe, die kein Training erhielt. Das Training der Selbstbeherrschung bestand aus verschiedenen Übungen, beispielsweise sollten umgangssprachliche Füllwörter (z.B. „Ähm“) vermieden werden. Dies trainiert die Selbstkontrolle, da gegen den Impuls angekämpft werden muss, Füllwörter zu benutzen. Es zeigte sich, dass das Training tatsächlich die Selbstbeherrschung der Teilnehmer steigerte.

Gerade zu Beginn eines neuen Jahres ist Selbstkontrolle und Geduld von großer Bedeutung. Anstelle jedem Impuls sofort nachzugeben, empfiehlt es sich im Alltag, öfter mal eine Belohnung aufzuschieben.

Training starten

Quellen:

1: Baumeister, R. F., Gailliot, M., De Wall, C. N., & Oaten, M. (2006). Self-Regulation and Personality: How Interventions Increase Regulatory Success, and How Depletion Moderates the Effects of Traits on Behavior. Journal of Personality, 74(6), 1773-1802.

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