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Gehirndoping – Leistungssteigerung mit Risiken und Nebenwirkung

Viel wurde in den letzten Jahren über Gehirndoping in Hörsälen und Unternehmen diskutiert. Abgesehen von den Nebenwirkungen, die mit der Einnahme einhergehen, äußerten Experten jedoch Zweifel, ob diese Medikamente überhaupt das halten, was ihre Nutzer sich davon versprechen. Eine neue Metastudie gibt Auskunft.

Auf der Tartanbahn, im Radsport und in der Diskothek sind wir es gewohnt über Leistungssteigernde und aufputschende Substanzen zu lesen. Seit einigen Jahren häufen sich die Berichte über die Verwendung von leistungssteigernden Substanzen auch in Hörsälen und Büros. In diesem Fall wird oftmals von Gehirndoping gesprochen, schließlich ist die Hoffnung eine Leistungssteigerung der grauen Zellen. In der Wissenschaft redet man in diesem Zusammenhang von Neuroenhancement. Wie weit verbreitet der Gebrauch ist, zeigt eine Umfrage, die ergab, dass zwischen 5% und 20% der Studenten an deutschen Universitäten regelmäßig auf diese Art von Gehirndoping zurückgreifen.

Zwei Substanzen konkurrieren um die Gunst der Studenten

Zwei Substanzen werden besonders oft für diese illegale Art der Leistungssteigerung verwendet: Ritalin und Modafinil. Der eigentliche Verwendungszweck von Ritalin ist die Behandlung von Kindern, die unter ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung) leiden. Da die Einnahme von Ritalin mit schweren Nebenwirkungen und einem hohen Suchtpotenzial einhergeht, wird von eigenmächtigem Gebrauch strikt abgeraten. Modafinil wiederum wird für die Behandlung von Narkolepsie (eine Schlafkrankheit) eingesetzt. Die Nebenwirkungen und das Suchtpotenzial sind bei Modafinil weniger stark ausgeprägt.

Wirksamkeit unklar

Trotz des regen Konsums konnte eine Frage bisher jedoch nicht zweifelsfrei beantwortet werden: Wirkt Gehirndoping überhaupt? In einer nun erschienenen Metastudie, in der die Ergebnisse von 24 Studien im Zeitraum zwischen 1990 und 2014 einflossen, haben Wissenschaftler eine Antwort auf diese Frage gesucht. Allerdings wurde nur der Effekt von Modafinil untersucht; die Einnahme von Ritalin zur Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit wäre angesichts der Nebenwirkungen aus ethischen Gesichtspunkten nicht vertretbar.

Bisherige Tests oft zu ungenau

Der Grund, weswegen bisher Unklarheit über die Wirksamkeit herrscht, hängt in erster Linie mit den verwendeten Tests zusammen, mithilfe derer mögliche Leistungsveränderungen versucht wurden, sichtbar zu machen. Dabei unterscheiden sich diese Tests sowohl hinsichtlich der Bereiche, die sie abfragen (Gedächtnis, Aufmerksamkeit etc.), als auch in ihrer Sensitivität und Schwierigkeit. Damit ist beispielsweise gemeint, dass ein Test derart einfach sein kann, dass ein gesunder Mensch unterfordert ist und seine Leistung so hoch ist, dass gar keine Luft nach oben für weitere Leistungssteigerungen besteht.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der an der Universität Oxford durchgeführten Metastudie lassen sich wie folgt zusammenfassen:

– Leistungssteigerung bei komplexen Aufgaben: Je komplexer ein Test ist, der die geistige Leistungsfähigkeit erfasst, desto wahrscheinlicher führt die Einnahme von Modafinil zu Leistungssteigerungen. Die Tests, die in frühen Studien verwendet wurden, waren oftmals zu simpel, um Veränderungen festzustellen.

– Keine generelle Leistungssteigerung: Doch worin steigt die Leistung genau bei der Einnahme von Modafinil? Bei Leistungen, bei denen konvergentes Denken nötig ist, kam es zu deutlichen Leistungssteigerungen. Konvergentes Denken beschreibt den Prozess, in dem aus verschiedenen Bereichen Wissen herangezogen wird und logische Schlüsse gezogen werden. Ein Beispiel für konvergentes Denken ist das Schreiben eines Aufsatzes, für den verschiedene Quellen gelesen und miteinander verknüpft werden. Auch die Fähigkeit, zu lernen und lange aufmerksam zu sein, nimmt zu. Hingegen kam es beim divergenten Denken nicht nur zu keiner Steigerung, in manchen Studien nahm diese Leistung gar ab. Bei divergentem Denken handelt es sich um kreative Leistungen, bei denen es weniger um langes und konzentriertes Arbeiten geht als vielmehr um weniger steuerbare Geistesblitze.

– Nebenwirkungen unkalkulierbar: Wie jedes Medikament kommt man auch bei Modafinil nicht ohne Nebenwirkungen aus. Die häufigsten Nebenwirkungen sind dabei Kopf- und Bauchschmerzen sowie Übelkeit. Allerdings – und das ist ein großes Manko dieser Übersichtsarbeit – nahmen Studienteilnehmer Modafinil höchstens für ein paar Tage. Über die langfristigen Wirkungen ist daher sehr wenig bekannt. Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass der Wirkmechanismus nach wie vor nicht verstanden wird. Aufgrund dieses Mangels an Wissen sind die langfristigen Nebenwirkungen nach wie vor unkalkulierbar.

Fazit: Potenzial inklusive unkalkulierbarer Langzeitfolgen

Die Übersichtsarbeit konnte unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Studien zeigen, dass das Medikament Modafinil tatsächlich in der Lage ist, die geistige Leistungsfähigkeit in einer Reihe von Bereichen zu steigern. Zwar sind die direkten Nebenwirkungen überschaubar, doch herrscht Unklarheit über die langfristigen Folgen. In Anbetracht der Tatsache, dass Modafinil lediglich die Produktivität steigern soll, stehen die potenziellen Risiken der Nebenwirkungen jedoch in keinem Verhältnis zum Nutzen. Maßnahmen wie ausreichend Schlaf und Bewegung, eine ausgewogene Ernährung und stimulierende Tätigkeiten wie Gehirntraining sind in diesem Kontext erfolgsversprechender.

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Quellen:

Battleday, R.M., & Brem, A-K. (2015). Modafinil for cognitive neuroenhancement in healthy non-sleep deprived subjects: a systematic review. European Neuropsychopharmacology, doi: 10.1016/j.euroneuro.2015.07.028

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