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Können Computer unsere Gedanken lesen?

Wenn Computer versuchen unsere Gedanken zu lesen, ist das für viele Menschen eine verlockende Vorstellung, für andere ein Alptraum. Doch ist es überhaupt möglich, dass Computer unsere Gedanken lesen? Wie viel davon ist Realität, wie viel Science Fiction? Ein Überblick über den derzeitigen Forschungsstand.

Stellen Sie sich vor, Sie fliegen in einem Flugzeug, gehen ins Cockpit und sehen, der Joytick fehlt und die Piloten steuern gemütlich zurückgelehnt das Flugzeug nur mit Ihren Gedanken. Was so klingt wie eine Idee, die einem übermütigen Drehbuchautor aus Hollywood in den Sinn gekommen ist, konnte ein Forscherteam in die Realität umsetzen. Der Wissenschaftler Alexander Doud (University of Minnesota) und seine Kollegen klebten Studienteilnehmern Elektroden an den Kopf und baten die Probanden, sich vorzustellen, wie sie einen Helikopter in einem dreidimensionalen Raum fliegen (natürlich nur auf einem Bildschirm, vergleichbar einem Videospiel). Und tatsächlich: Nach einiger Vorarbeit reichte die Gedankenkraft aus, einen Helikopter sicher steuern zu können [1].

Wissenschaftlicher und technologischer Fortschritt

Dieses Experiment zeigt das Potential, das in einem immer besseren Verständnis des menschlichen Gehirns, sich stetig verbessernden bildgebenden Verfahren (EEG, fMRI, PET) und der unbändigen Kraft moderner Computer schlummert. Doch können Computer nicht nur einfache Gedanken lesen, wie es für das Steuern eines Helikopters nötig ist, sondern auch erkennen, worüber wir uns Gedanken machen? Um diese Frage zu beantworten, dachte sich ein Team um den Wissenschaftler Jack Gallant (Universität Berkeley) eine innovative Studie aus [2].

Viele Stunden Videomaterial

Da das Erheben der Daten extrem zeitaufwendig und daher für Laien unzumutbar war, beschlossen die Wissenschaftler, nicht wie gewöhnlich Studienteilnehmer zu rekrutieren, sondern sich selbst zu untersuchen. Zunächst legten sich die Wissenschaftler in einen fMRT und sahen zwei Stunden Filmmaterial (unter anderem Inspector Clouseau). Dabei erfasste das fMRT die Reaktionen des visuellen Kortex, der die Informationen, die unsere Augen wahrnehmen, verarbeitet. Dabei suchte der Computer nach Gesetzmäßigkeiten zwischen den Filmsequenzen und der Reaktion des visuellen Kortex. Im Anschluss fütterten die Wissenschaftler ihre Computer mit Videos von Youtube mit einer Gesamtlänge von 5000 Stunden.

Sehen, was unser Gehirn sieht

Die Computer sollten nun basierend auf den zuvor gewonnenen Gesetzmäßigkeiten Vorhersagen treffen, welche Reaktion das Gehirn in jeder Sekunde der Videos zeigen würde. Praktisch wurde für jede Sequenz ein bestimmtes Aktivierungsmuster erstellt.

Danach ging es für die Wissenschaftler wieder für mehrere Stunden in den fMRT. Dieses Mal sahen die Wissenschaftler Zusammenschnitte von weiteren Filmen. Wieder wurde die Aktivität im visuellen Kortex gemessen. Jede gemessene Aktivierung wurde sodann mit den Vorhersagen der zuvor analysierten Youtube-Videos abgeglichen. Aus den 5000 Stunden wurden somit Schnipsel zusammengefügt, die ein Video ergaben. Mit anderen Worten: Der Computer hat versucht, den Film, den eine Person sieht, so gut es geht, mit den 5000 Stunden Filmmaterial nachzustellen. Unter diesem Artikel können Sie in einem kurzen Video sehen, wie erstaunlich gut dies dem Computer gelungen ist.

Konsequenzen für den Alltag

Zwar steckt die Forschung noch in den Kinderschuhen, aber mit der fortlaufenden Weiterentwicklung der technologischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse, ist damit zu rechnen, dass Computer in Zukunft noch viel besser in der Lage sein werden, unsere Gedanken zu lesen. Zunächst mag dies zwar für manche Menschen bedrohlich oder unheimlich wirken, doch die Implikationen für Menschen mit Behinderungen sind gewaltig. Man stelle sich vor, eine bisher bettlägerige Person könnte nur Kraft ihrer Gedanken Rollstühle, Autos oder Computer bedienen. Und eine verstummte Person könnte Kraft ihrer Gedanken mit der Umwelt kommunizieren. Unter anderem das Human Brain Projekt verspricht Fortschritte auf diesem Gebiet

In diesem kurzen Video können Sie sehen, wie gut der Computer in der Lage war, das Gesehene wiederzugeben. Links sehen Sie das Original, rechts die Rekonstruktion des Computers.

Quellen:

[1] Doud, A. J., Lucas, J. P., Pisansky, M. T., & He, B. (2011). Continuous three-dimensional control of a virtual helicopter using a motor imagery based brain-computer interface. Public Library of Science, 6(11), e26322

[2] Nishimoto, S., Vu, A. T., Naselaris, T., Benjamini, Y., Yu, B., & Gallant, J. L. (2011). Reconstructing visual experiences from brain activity evoked by natural movies. Current Biology, 21, 1641-1646

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