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Vor- und Nachteile für Linkshänder

Ungefähr 10 % der Bevölkerung sind Linkshänder. Haben Linkshänder Vor- oder Nachteile im Leben? Überraschende Befunde erweitern das Spektrum der gängigen Theorien.

Wie sehr unsere Händigkeit unser Denken beeinflusst, zeigt sich an unserem Sprachgebrauch. Von einer linken Person ist nichts Gutes zu erwarten, während eine Person, die Recht hat, auf der richtigen Seite steht. Die deutsche Sprache ist dabei keine Ausnahme, sondern die Regel: In den meisten Sprachen ist mit rechts das Normale, Gute oder Richtige verbunden, wohingegen mit links Ungutes, Hinterlistiges und Verdächtiges verbunden ist. In einer Gesellschaft, die dem Linken mit großer Skepsis gegenübersteht, verwundert es kaum, dass noch vor einigen Jahrzehnten großen Wert darauf gelegt wurde, aus Linkshändern Rechtshänder zu „erziehen“. Aus heutiger Sicht erscheint dies zwar überaus brutal, doch erlaubt der frühere Umgang Einblick in die Vor- und Nachteile des Linkshändigkeit (Sinistralität).

Kooperation versus Wettbewerb

Die Evolution folgt einem einfachen System: Eigenschaften, die das Überleben erleichtern, setzen sich durch. Eigenschaften, die dem Überleben im Wege stehen, sterben im Laufe der Zeit aus. Wie ist es dann zu erklären, dass über Jahrtausende hinweg der Anteil an Linkshändern in der Bevölkerung konstant bei 10 % bleibt? Wäre es ein Vorteil, Linkshänder zu sein, müssten wir alle Linkshänder sein. Wäre es ein Nachteil, läge der Anteil nahe 0. In den letzten Jahren wurde dieses Paradoxon Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen, Untersuchungen und Simulationen [1].

Vor- und Nachteil

Dabei setzte sich die Theorie durch, dass es in bestimmten Bereichen durchaus ein Vorteil ist, Linkshänder zu sein, in anderen Bereichen jedoch ein Nachteil. Aus diesem Spannungsfeld ergäbe sich eine stabile Bevölkerungsminderheit.

Vorteile im Wettbewerb: Die Theorie besagt, dass in Wettbewerbssituationen, in denen die Hände eine Rolle spielen, Linkshänder im Vorteil sind. Das hat den Hintergrund, dass sich Linkshänder im Umgang mit rechtshändigen Opponenten einstellen können, während Rechtshänder von Linkshändern überrascht werden. Konkrete Beispiele sind Boxen oder Baseball; Sportarten, in denen die üblichen Bewegungsabläufe durch einen unerwartet agierenden Gegner aus dem Konzept gebracht werden können. Daten belegen diese Theorie: Im Baseball sind circa 50 % der besten Schlagmänner (Batter) Linkshänder. Der vermutete Grund für die Häufung von erfolgreichen Linkshändern im Baseball ist, dass rechtshändige Werfer (Pitcher) ihre Technik mit rechtshändigen Gegnern trainieren und von linkshändigen überrascht werden. Bestünde unser Leben nur aus Boxkämpfen und Baseballspielen, wäre ein Bevölkerungsanteil von circa 50 % Linkshändern zu erwarten.

Nachteile in der Kooperation: Anders verhält es sich mit Situationen, in denen Menschen darauf angewiesen sind, miteinander zu kooperieren. Unter Kooperation ist Verhalten zu verstehen, in dem das Handeln einer Person, das Leben einer anderen positiv betrifft. In dieser Hinsicht ist der Großteil unserer Wirtschaft kooperativ, schließlich werden Produkte in der Regel hergestellt, um sie anderen Menschen zur Verfügung zu stellen. Da diese Produkte zumeist für die Mehrheit hergestellt werden, sind Linkshänder im Nachteil, was sich nicht zuletzt an der häufigeren Verletzungsrate unter Linkshändern zeigt. Daten bestätigen dies: Jäger arbeiten meist im Alleingang. In Gesellschaften, die auf die Jagd spezialisiert sind, ist der Anteil an Linkshändern größer als in Gesellschaften, bei denen Kooperation eine größere Rolle spielt. Bestünde unser Leben nur aus Zusammenarbeit, wäre es wahrscheinlich, dass der Anteil der Linkshänder über kurz oder lang sinken würde.

Unterschiede im Gehirn

Zwar mag der Unterschied gering erscheinen, ob eine Person eine Schere mit der linken oder rechten Hand bedient, doch machen sich diese Unterschiede im Gehirn bemerkbar. Beispielsweise ist bei 95 % aller Rechtshänder die linke Gehirnhälfte für die Sprachfähigkeiten verantwortlich, bei Linkshändern sinkt der Anteil auf 70 %. Bezogen auf weitere funktionale Einheiten des Gehirns, wie beispielsweise dem für die Bewegung verantwortlichen Motorcortex, gilt als Faustregel, dass tendenziell die gleichen Funktionen in der gleichen Gehirnhälfte beheimatet sind. Jedoch sind die Unterschiede zwischen den Gehirnhälften weniger stark ausgeprägt sind. Die verbreitete Annahme, Linkshänder seien kreativer als Rechtshänder, konnte indes bisher nicht nachgewiesen werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es in der Tat nennenswerte Unterschiede zwischen Links- und Rechthändern gibt und dass die Vorteile von Linkshändern gerade groß genug sind, um über Jahrtausende hinweg eine stabile Bevölkerungsminderheit zu stellen.

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Quellen:

Laurens, V., Raymond, M., & Faurie, C. (2009). Why are some people left-handed? An evolutionary perspective. Philosophical Transaction of the Royal Society B., 364, 881-894.

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