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Wieso Stress gesund sein kann

Seit Jahren hören wir immer das Gleiche: Stress ist schlecht, wenn möglich, soll er vermieden werden. Auch wir haben bereits Tipps gegeben, wie Stress am besten zu reduzieren ist. Doch ist Stress wirklich Teufelszeug? Eine Neubetrachtung.

Generell ist die Argumentation folgende: Menschen, die Stress ausgesetzt sind, haben oftmals gesundheitliche Probleme. Insbesondere das Herz-Kreis-Laufsystem werde durch Stress in Mitleidenschaft gezogen. Ein Blick in die Sterbestatistik der USA scheint dies zu bestätigen. So zeigt sich, dass Menschen, die hohem Stress ausgesetzt waren, eine um 43 % höhere Wahrscheinlichkeit hatten, an einem Herzinfarkt zu sterben [1]. Reduziert man den Stress, so die Annahme, sinkt auch das Sterberisiko.

Nur die halbe Wahrheit

Doch ist dies nur die halbe Wahrheit. Betrachtet man die Zahlen genauer, so zeigt sich, dass nicht Stress generell schädlich ist, sondern nur der Stress, der als gesundheitlich schädlich erachtet wird. Auf die gleiche Stichprobe bezogen, bedeutet das, dass Menschen, die Stress nicht als etwas Negatives wahrnahmen, auch kein erhöhtes Sterberisiko hatten. Ganz im Gegenteil: Die Gruppe, die zwar Stress hatte, Stress jedoch positiv betrachtete, hatte das geringste Sterberisiko, es war sogar niedriger als das jener Menschen, die keinem Stress ausgesetzt waren [1].

Stress beginnt im Kopf

Mit anderen Worten: Ob Stress krank macht, entscheidet unsere Einstellung gegenüber Stress. Doch was geschieht mit unserem Körper, wenn wir hohen Belastungen ausgesetzt sind? Sobald wir eine Situation als Herausforderung wahrnehmen, reagiert unser Körper so, dass wir für den Zeitraum der Herausforderung leistungsfähiger sind. Daher pocht auch unser Herz schneller, der im Blut vorhandene Sauerstoff wird besser im Körper verteilt. Wir atmen schneller und unsere Hände werden feucht.

Studie zeigt: Wir haben es in der Hand

Aber sind wir selbst in der Lage, die Art und Weise, wie wir mit Stress umgehen, zu kontrollieren oder unterscheiden sich Menschen einfach generell darin, wie sie mit Stress umgehen? In einer weiteren Studie aus Harvard wurde eine Antwort auf diese Frage gesucht [2]. Darin wurden Studienteilnehmer absichtlich Stress ausgesetzt. Dies geschah, indem die Studienteilnehmer vor einem Publikum eine fünfminütige Rede über ihre Schwächen halten sollten. Um die Studienteilnehmer noch weiter zu verunsichern, gab das Publikum negative soziale Rückmeldungen, beispielsweise verdrehte das Publikum die Augen oder zeigte Desinteresse. Im Anschluss mussten die Studienteilnehmer noch unter öffentlichem Druck eine Mathe-Aufgabe lösen. Eine wahrlich unangenehme Situation, bei der wohl jeder Stress empfindet. Die Hände werden feucht, der Mund trocken und das Herz schlägt schneller.

Angst oder Hilfe

Diese körperlichen Reaktionen können unterschiedlich interpretiert werden. Einerseits ist es möglich, diese Reaktionen als Zeichen von Angst und Überforderung zu interpretieren. Andererseits kann man diese Reaktionen als überaus hilfreiche Mittel des Körpers sehen, die einen befähigen, höhere Leistungen zu erbringen. Einer Gruppe von Studienteilnehmern wurde vor der stressreichen Situation mitgeteilt, sie sollten ebenjene Stressreaktionen als ein Hilfsmittel sehen und als etwas Positives betrachten. Im Anschluss wurde erfasst, wie die Teilnehmer mit dem verursachten Stress umgingen. Dabei zeigte sich, dass jene Studienteilnehmer, denen mitgeteilt wurde, ihre körperlichen Reaktionen seien etwas Positives, weniger ängstlich waren und sich selbstsicherer und weniger gestresst fühlten. Darüber hinaus wurde erfasst, wie das Herz-Kreislauf-System auf den Stress reagierte. Üblicherweise schlägt das Herz schneller und die Blutgefäße verengen sich unter Stress.

Blutgefäßverengung ungesund

Diese Blutgefäßverengung ist der Grund, weswegen Stress die Wahrscheinlichkeit steigert, an einem Herzinfarkt zu sterben. In der Studie zeigte sich jedoch, dass die Blutgefäße der Teilnehmer, denen eine positive Assoziation zu Stress vermittelt wurde, keine Verengung aufwiesen. Die Einstellung gegenüber Stress beeinflusst somit nicht nur das persönliche Empfinden der Situation, sondern spiegelt sich auch in objektiven Untersuchungen wieder.

Die Bedeutung der Psyche

Die Ergebnisse demonstrieren eindrücklich, wie groß der Einfluss unserer Psyche auf unser Wohlbefinden ist. Zwar ist es nicht immer einfach, sich die wohltuenden Effekte von Stress vor Augen zu führen, doch schadet es nicht, ab und zu einen Schritt zurück zu treten und sich zu fragen, wieso unser Körper auf eine bestimmte Situation so reagiert, wie er es tut.

Quellen:

[1] Keller, A., Litzelman, K., Wisk, L. E., Maddox, T., Cheng, E. R., Creswell, P. D., & Witt, W. P. (2012). Does the perception that stress affects health matter? The association with health and mortality. Health Psychology, 33(5), 677-684.
[2] Jamieson, J. P., Mende, W. B., & Nock, M. K. (2013). Improving acute stress responses: The power of reappraisal. Current Directions in Psychological Science, 22(1), 51-56.

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